Gestaltung mit Punkten und Linien

Linien finden wir überall, sie gliedern unser Blickfeld, sie lenken unseren Blick, unser Auge folgt ihnen automatisch. Linien helfen uns beim Lesen – und zwar nicht nur beim Lesen von Texten!

Die wichtigsten Linien beim Fotografieren und Filmen sind zunächst die Diagonalen. Unbewusst „scannt“ der Betrachter ein Bild als erstes im Schnelldurchgang.

Unsere gewohnte Leserichtung ist dabei von links oben nach rechts unten. Daher schaut der Betrachter als erstes in die linke obere Bildecke, dann nach rechts unten, springt nach links, um der umgekehrten Diagonale nach rechts oben zu folgen. Das Nach-Oben-Gucken ist aber anstrengender (Tatsache: das Auge braucht dafür doppelt so viel Muskelkraft wie für den Blick nach unten), daher wird die rechte obere Ecke nicht  ganz erreicht. Stattdessen springt das Auge ein Stück über der Bildmitte wieder zurück nach links oben.
Dieser kompliziert klingende Vorgang dauert weniger als eine zehntel Sekunde, erst danach wird das Bild "richtig" angeschaut. Man kann also davon ausgehen: Bildinhalte, die sich auf einer Diagonale befinden, werden als erstes wahrgenommen und vom Betrachter als wichtig interpretiert.

<<< Hier wichtig: Die Augen des Mädchens

Ein Punkt ist ein Punkt ist ein Punkt. Er ist da und man guckt darauf, auch wenn er im Vergleich zur Bildfläche eher klein ist. Er hält den Blick gefangen. Punkt um!

Mehrere Punkte werden vom Betrachter automatisch zu einer Linie ergänzt.

Je nach Richtung und Schwung der Linien geben diese dem Bild eine "emotionale Wertung".

Absteigende (fallende) Linien verlaufen von links oben nach rechts unten und wirken beruhigend. Sie entspannen ein Bild. Die unbewusst aufgenommene Information lautet: Hier geht es friedlich zu.

<<< Ein berühmtes Beispiel: der Hase von Albrecht Dürer

Aufsteigende Linien (steigende Linien) verlaufen von links unten nach rechts oben und wirken aufregend. Sie erzeugen Spannung im Bild. Die unbewusst aufgenommene Information lautet: Hier passiert etwas.

Dürers Hase gespiegelt wirkt längst nicht mehr so ruhig und schläfrig, er scheint eher "auf dem Sprung" zu sein >>>

Waagerechte (horizontale) Linien sind sehr ruhig, fast statisch, sie „erden“ ein Bild. Die alltäglichste Horizontale ist – wie könnte es anders sein – der Horizont. Mehrere horizontale Linien können den Eindruck von Tiefe bewirken. Automatisch erkennen wir in den unteren Linien als vorne, den oberen Linien als hinten.Senkrechte (vertikale) Linien teilen ein Bild. Sie stoppen den Blick. Im Gegensatz zu waagerechten Linien haben sie keine Tiefenwirkung. Sie können ein Bild aber nach oben strecken.

Linien und ihre Bedeutung im Überblick

Beruhigend, friedlich, abwärts Anregend, spannend, aufwärts
Je flacher, desto ruhiger

Je steiler, desto dramatischer

Stark beruhigend, stillstehend Stoppend, aufteilend
Verbreiternd, Tiefenwirkung Streckend, keine Tiefe

Korrespondierende Linien

Treffen sich mehrere, gleich starke Linien bilden sie eine Form, ein Muster in dem sich das Auge hin und her oder rundherum bewegt. Korrespondierende Linien grenzen den Blick ein und weisen auf etwas hin.

Zwei schräge Linien bilden (den Bildrand als Kante berücksichtigend) ein Dreieck. Hier ist ausschlaggebend in welche Richtung die Spitze des Dreiecks weist.

Erhaben, heiter, spannend Vertiefend, zurückgezogen, intim
Vorantreibend Zurückschauend

Waagerechte und senkrechte Linien bilden im Zusammenspiel Rechtecke, die wie Rahmen wirken. Der Blick bleibt innerhalb des Rahmens gefangen, es entsteht ein Bild im Bild.

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